Überzogene Strafverfolgung von Schwarzfahrern

Alfred Mayer 81827 München, den 15.02.10
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Herrn
Oberbürgermeister
Christian Ude persönlich
Fax: (089) 233-26458.
eMail: christian.ude@muenchen.de.

Überzogene Strafverfolgung von Schwarzfahrern
infolge leichtfertiger Unterstellung eines Vorsatzes


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister !

In einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung ("Teure Ticketsünde" 20.4.2007 S. 37) über die geplante Anhebung des "erhöhten Beförderungsentgelts" beim Münchner Verkehrsverbund (MVV) wurde die Praxis erwähnt, zum dritten Mal ertappte sog. Schwarzfahrer wegen des Straftatbestands der Beförderungserschleichung bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen, die dann ratzfatz eine Verurteilung herbeizuführen scheint.

Ich wage zu behaupten, daß jeder Nutzer des MVV schon mehrmals versehentlich nicht oder zu wenig bezahlt hat. Wenn man jedes Mal erwischt worden wäre – und das hängt nur vom Zufall ab – hätten wir ein Heer von Vorbestraften. Ich zum Beispiel würde mein halbes Leben in Gefängnis verbringen müssen und ich bin wirklich noch nie vorsätzlich schwarz gefahren. Der Straftatbestand Beförderungserschleichung setzt Vorsatz voraus und der ist m.E. rechtsstaatlich gesehen kaum nachzuweisen. Wenn jemand zum dritten Mal ertappt wird, spricht das noch lange nicht für Vorsatz.

Die Fortführung der in etwa seit Bestehen des MVV geübten Praxis der Anzeige beim dritten Fall läßt vermuten, daß die Anzeigen meist mit einer Verurteilung enden, meist wohl mit Strafbefehlen/Strafbescheiden, die in der Regel rechtskräftig werden dürften, weil sich die Angeschuldigten ja schuldig fühlen. Sie sind ja ohne zu zahlen mitgefahren. Ihnen dürfte aber nicht bewußt werden oder gar nicht bekannt sein, daß der Straftatbestand Vorsatz voraussetzt, der noch dazu in den seltensten Fällen nach rechtstaatlichen Grundsätzen nachweisbar wäre.

Ich würde mich freuen, wenn Sie Veranlassung für eine Überprüfung sehen könnten, ob zutrifft, daß automatisch nach der dritten Schwarzfahrt Strafanzeige erstattet wird oder ob nur Fälle zur Anzeige gebracht werden, bei denen der Vorsatz nach den Umständen oder Äußerungen des Betroffenen nachweisbar ist, also wenn zum Beispiel jemand sagt, er fahre immer ohne zu zahlen oder die Fahrkarte manipuliert wurde. Es gibt sicherlich noch andere Beispiele für nachweisbaren Vorsatz. Das dürften aber trotzdem seltene Fälle sein. In aller Regel werden die Verdächtigen unwiderlegbar ein Versehen behaupten. Da kann einem unwiderlegbar auch dreimal passieren. Wenn man Pech hat, wird man jedes Mal kontrolliert. Damit soll nicht ausgeschlossen sein, daß eine Häufung von Schwarzfahrten irgendwann auf Vorsatz schließen läßt. Das könnte bei drei Schwarzfahrten innerhalb weniger Tage sein und bei längeren Zeiträumen entsprechend öfter. Man könnte wohl nichts mehr einwenden, wenn bei 5 Schwarzfahrten innerhalb von 6 Monaten und bei 10 Schwarzfährten innerhalb eines Jahres Strafanzeige erstattet würde.
Wohlgemerkt hat ein Schwarzfahrer ja jedes Mal das erhöhte Beforderungsentgelt von mindestens 40 Euro zu zahlen, das der Schuld eines nur fahrlässig handelnden Betroffenen doch voll gerecht wird und Abschreckung genug ist und den MVV weitgehend schadlos stellt.

Nach der heutigen Praxis scheinen für eine Anklageerhebung bzw. für einen Strafbefehlsantrag allein drei Schwarzfahrten gleich in welchem Zeitraum zu genügen, ohne daß Umstände hinzutreten müßten, die den Vorsatz als nachgewiesen erscheinen lassen .

Nichts zwingt den MVV zur Strafanzeige, die ja auch noch nach sich zieht, daß die Kontrolleure aller drei "Schwarzfahrten" als Zeugen zur Gerichtsverhandlung geladen zu werden pflegen und damit für ihre eigentliche Aufgabe viele Stunden ausfallen. In dieser Zeit könnten sie Dutzende von Schwarzfahrern feststellen und mit 40 und im Falle einer Neuregelung durchaus zum Beispiel beim zweiten Mal mit 60, beim dritten Mal mit 120 Euro zur Kasse bitten. Das ist im Normalfall Abschreckung genug. Als nicht unklug könnte sich auch erweisen, aus dem riesigen Arbeitslosenheer noch zusätzliche Kontrolleure zu rekrutieren oder auch die "Rotkappen" und das sonstige Schutzpersonal mehr zu Kontrollen zu verpflichten.

Für den Gesetzgeber wäre es an der Zeit, den wegen des kaum nachweisbaren Vorsatzes den Straftatbestand "Beförderungserschleichung" abzuschaffen. Man ist ja auch sonst geneigt, zwar unerwünschtes aber relativ ungefährliches Verhalten zu entkriminalisieren und nur noch als (auch fahrlässig begehbare) Ordnungswidrigkeit zu verfolgen, wobei der Bußgeldrahmen durchaus weit nach oben gehen kann, vor allem für Wiederholungstäter. Für besonders dreiste Fälle bliebe ja immer noch der Betrugstatbestand.

Vorsorglich ein Wort zu den klassischen Fällen eines Vorsatzes, nämlich der vielen Armen, die öffentliche Verkehrsmittel benutzen, obwohl sie nachweislich kein Geld haben. Sie sind vor allem im äußeren S-Bahnbereich von vielen Sozialkontakten verkehrstechnisch ausgeschlossen. Ich würde mich freuen, wenn man in diesen Fällen immer von einer Anzeige absehen würde. Es handelt sich hier um eine Art Mundraub. Sie verursachen ja nicht einmal einen Schaden für den MVV, denn ohne ihre "Dreistigheit" wäre ihr Platz im öffentlichen Verkehrsmittel leer geblieben. Allerdings wären die Kosten für die Antriebsenergie um einige Cents oder den Bruchteil eines Cents geringer.
Hier wird ja auch zu Recht das „Sozialticket“ angestrebt.

Mit den besten Grüßen



Alfred Mayer

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